Geschichte aus der Praxis

 Das offene Dach.

 

Die Wirkung Ich-stärkender Maßnahmen.

 

Anne-Christine ist 6 Jahre alt, als sie zum ersten Mal in eine LernCoaching-Stunde zu mir kommt. Ihre Mutter beschreibt sie als aufgeschlossen und lernwillig aber leicht ablenkbar. Sie könne am Ende der 1. Klasse weder flüssig lesen noch sicher schreiben. Sie mache sich große Sorgen um ihre Tochter. Die Lehrerin habe ihr geraten, Anne-Christine die erste Klasse wiederholen zu lassen.

 

Ich lerne ein pfiffiges Mädchen kennen, den Schalk im Nacken! Sie gibt sich auffällig anhänglich, möchte am liebsten, dass ihre Mama ganz dicht neben ihr sitzt. Auf die Frage, was sie am liebsten mache, sagt sie: „Mit der Mama kuscheln und mit dem Papa telefonieren.“ Ihre Mutter hat in der Tat nur mittwochs für sie Zeit, da sie einen Gastronomiebetrieb führt. Ihr Vater ist häufig auf Montage unterwegs. So findet auch die Coachingstunde jeweils mittwochs statt und man merkt, wie das Mädchen jede Minute regelrecht genießt, die sie mit ihrer Mutter verbringen darf.

 

Ich lasse die Kleine ein Wort finden, das sie gut kennt. Es liegt fast auf der Hand, dass sie sich 'Mama' aussucht, dann auch noch 'Papa'. Das Visualisieren und Buchstabieren gelingt ihr rasch und ohne Fehler! Bei der Frage nach anderen Wörtern aus der Fibel wird sie schnell unsicher. Ihre Schultern senken sich, der Blick geht zum Boden. Damit ich auch ihre Fähigkeit zum Visualisieren bei Zahlen prüfen kann, suchen wir eine kleine Mathe-Aufgabe, die ihr leicht fällt. In ihrem Zustand wird dies zur Herausforderung! 5 + 5 = 10, aber 3 – 2 = 2! Schon kommt die Selbsteinschätzung: „Gell, ich bin schlecht!“ „Wer sagt denn das?“ möchte ich wissen. „Meine Lehrerin, meine Mama auch. Ich soll die Klasse wiederholen.“ Ihr Gesicht spiegelt mir deutlich ihre Gefühle und ich verzichte auf weitere Fragen.

 

Um ihre Stimmung wieder auf zu hellen, lenke ich das Gespräch auf Dinge, die sie richtig gut kann. Leicht findet Anne-Christine viele Dinge, die sie nicht nur gut kann, sondern auch gerne tut: Basteln, malen, schwimmen, spielen, telefonieren, ... . Schnell sind es ihrer 10. Wir malen ihre beiden Hände auf ein Blatt Papier und ankern all diese Ressourcen auf ihren 10 Fingern. Das macht ihr sichtlich Spaß. Sie nimmt das Papier mit nach Hause, um es noch schöner zu gestalten. Wir verabreden, dass sie das Bild anschließend an einen gut sichtbaren Ort in ihrem Zimmer aufhängt.

 

Beim nächsten Treffen zählt mir eine fröhliche Anne-Christine alle 10 Ressourcen unaufgefordert auf. Dann zeige ich ihr einige Brain-Gym-Übungen, die ihr sichtlich Spaß machen. Für zu Hause nimmt sie sich vor, diese immer vor den Hausaufgaben zu üben. Während der Hausaufgaben kommt es oft zu Tränen, wie die Mutter berichtet. Das Au-Pair Mädchen ist offensichtlich mit der Betreuung von Anne-Christine und ihren beiden älteren Geschwistern überfordert.

 

Auf meine Frage, wie es ihr bei den Hausaufgaben denn ginge, antwortet sie wortlos, indem sie einen kleinen Marienkäfer aus Holz auf meinem sogenannten 'Launometer' (Skala von 0 bis 10) auf die 0 schiebt.

 

0 ---1---2---3---4---5---6---7---8---9---10

 

Denkt sie an Schule allgemein, rutscht der Marienkäfer auf die 5. Höher steigt der Wert nur, wenn sie an die Mittwoch-Nachmittag Aktivitäten mit ihrer Mutter denkt oder sich vorstellt, sie spiele mit ihrem besten Freund.

 

Wir erinnern uns nochmals an die 10 Ressourcen von Anne-Christine. Ich schlage ihr vor, zu überlegen, was sie sich denn in den Stunden bei mir wünscht. 'Ich will nicht wiederholen.“ „Was möchtest du denn anders machen, damit das klappt?“ frage ich.

 

Besser lesen und schreiben vielleicht?“ Kommt die etwas schüchterne Antwort mit einem fragenden Blick zur Mutter. „Ich soll jeden Tag ganz viel üben, hat meine Mama gesagt. Aber ich muss immer so viel weinen bei den Hausaufgaben. Dann streite ich mich mit Lidija, weil die nix versteht!“ Daraufhin habe ich eine Idee: „ Weißt du was, wie wär's, wenn du so tust, als ob du einen Samen pflanzt, der dann zu einer Lesepflanze heranwächst?“ „Wie soll ich das denn machen?“ Nun erkläre ich ihr, wie sie mit ihren 10 Fingern, auf denen bereits ihre wunderbaren Fähigkeiten sitzen, ein kleines Häuschen formt: „Lass' mal alle Finger und die Daumen der beiden Hände sich berühren und bilde dann ein kleines Häuschen.“ (Quelle: Hedy Lötscher-Gugler: Lernen mit Zauberkraft). Ich mache es ihr vor. Jetzt stellen wir uns vor, da unten ist ganz fruchtbare Erde drin. Und nun tust du so, als ob du dort einen Samen hinein legst. Ab heute denkst du einfach jeden Tag daran, ihn zu gießen, dann kommt bald eine kleine Pflanze zum Vorschein. Die nennen wir die 'Ich-kann-gut-lesen-Pflanze'“. „Schon fertig!“ überrascht sie mich.

 

Bei unserem nächsten Treffen ist die Pflanze bereits einen Zentimeter hoch, und sie wächst und wächst ....

 

Schließlich, nach einigen Sitzungen, Anne-Christine ist inzwischen sogar auch ein Mal ohne ihre Mutter gekommen, frage ich wie beiläufig wieder nach der Pflanze. Anne-Christine führt ihre Daumen und ihre kleinen Finger zusammen. Die anderen Finger berühren sich nicht. Sie strahlt mich verschmitzt an. Es dauert einen Moment, bis auch ich begreife, dass die Pflanze nun schon so groß geworden ist, dass das Dach sich geöffnet hat. Anne-Christine ist offensichtlich sehr fürsorglich gewesen und hat sich selbständig um ihr kleines Gewächshaus gekümmert. „Gell, ich bin gut!“ so ihr stolzer Kommentar. Da wundert sich auch die Mutter!

 

In der folgenden Sitzung führe ich mit Anne-Christine eine Übung zum Blockaden lösen mit wingwave® (eine innovative Methode, die die beiden Gehirnhälften harmonisiert und punktgenauemotionale Blockaden löst: www.wingwave.com) durch.

 

 

 

Dann kam sehr bald die Meldung der Lehrerin, dass sie nun doch in die zweite Klasse versetzt werde. 'Es' sei besser geworden.

So kann sie beruhigt die Sommerferien genießen!

 

 

 

Als Start ins 2. Schuljahr zeige ich ihr noch die visuelle Strategie. So hat sie eine Technik an der Hand, mit der sie leicht und sicher neue Wörter einspeichern und bereits bekannte wiederholen kann.